Weekend / Vargtimmen / Data Fragments from a Rapid Decline / Bärbel erzählt einen Film / Urszene
Mo 4.4. / 21 Uhr / naTo
Eintritt: 5,50 / 4,50 €
WEEKEND
Deutschland 1930
Regie/Schnitt: Walter Ruttmann
Produktion: Reichsrundfunkgesellschaft u. Berliner Funkstunde
Ursendung: 13.6.1930 (Berlin)
Sprache: Deutsch
Laufzeit: 11 min
Walter Ruttmanns „Film WEEKEND (D 1930, 11 min) steht am Beginn eines völlig neuen Genres: des poetischen Film-Essays. Ruttmann, ein Pionier der filmischen Poesie begriff „die eigentliche Arbeit eines Filmemachers als das Schneiden und war somit in der Lage, völlig neue Zusammenhänge zu schaffen. Seine „filmische Assoziationskette erweiterte den Kern des einzelnen Bildes und flocht es ein in die Dynamik der Gesamtkomposition und konnte somit die Gestalt einer Zeit, einer Idee, einer Gesellschaft repräsentieren. […] 1930 beauftragte der Berliner Rundfunk Ruttmann mit einer Ton-Dokumentation. In fünfzehn Minuten beschwor Ruttmann die „Melodie des einfachen Berliner Lebens vom freitäglichen Feierabend bis zum Montag, wenn die Wecker die noch gähnenden Sonntagsausflügler zur täglichen Schinderei riefen, herauf. Allerdings zeichnete er diesesessai sono nicht auf Platte, sondern auf Tonfilm auf. Dies ermöglichte ihm technisch die notwendige Freiheit in seiner Arbeit, denn er benötigte mikroskopisch feine Minuten-„cuts. Eine Schallplatte ließ sich auf solche Weise nicht schneiden und das Magnetband war noch nicht verfügbar; nur der Ton-Film ermöglichte ihm diese Flexibilität. [...] WEEKEND ist unbestritten eine Ton-Montage. Aber auch wenn es kein Film im klassischen Sinn ist, so ist es doch ohne Zweifel die Arbeit eines Filmemachers. Auf BERLIN SINFONIE EINER GROSSSTADT, einen Stummfilm, und MELODIE DER WELT, seinen ersten Tonfilm, folgend, läßt sich WEEKEND als logische Fortsetzung des ersten und Epilog des zweiten verstehen. [...] (1).
"Der viel sagende Titel »Weekend« ist sozusagen schon die Inhaltsangabe: Nur mit vor Ort aufgenommenen Geräuschen wird der Ablauf eines Wochenendes von Samstag abend bis Montag morgen wiedergegeben, komprimiert auf 11 Minuten. Es ist ein akustischer Film ohne Bilder, in künstlerischer ebenso wie in technischer Hinsicht. Ruttmann selbst spricht von einer »photographischen Hörkunst«. Ruttmann setzt die Montage assoziativ ein, zum Beispiel im fast wörtlich zu nehmenden ›Ausklang‹ des Wochenendes: erst das Klingen der Gläser beim Prost, dann die Glocken der Tiere, schließlich die Glocken der Kirche, abends und nachts, morgens der klingelnde Wecker und der noch schleppende Neubeginn des Arbeitsrhythmus. Die Klangmontage von »Weekend« nimmt sowohl die Musique concrète (Pierre Schaeffer) in den 1950er Jahren vorweg als auch das Sampling der heutigen Technomusik." (2)
VARGTIMMEN
Österreich 2010
Regie: Georg Tiller
Kamera: Claudio Pfeifer
Musik: Lars Johan Werle
ohne Dialog
Laufzeit: 6 min
VARGTIMMEN ist die exakte und mit der originalen Tonspur versehene Rekonstruktion einer Sequenz aus Bergmans gleichnamigem Film aus dem Jahr 1968. Bild für Bild wurden die Einstellungen nachgedreht, mit dem Unterschied, daß es keine Schauspieler zu sehen gibt. In Folge dieser abwesenden Anwesenheit entsteht eine äußerst bedrohliche Situation.
"Konzentriert sich Bergman in Vargtimmen auf die Gesichter der Menschen, fokussiert Tiller in seinem filmischen Experiment auf den Raum, die Natur. Die Kamera gleitet über den kargen Landstrich, Steinplatten mit vielen Brüchen und Spalten liegen in der Sonne, bilden einen harten Gegensatz zum samtigen, fast schwarzen Wasser.
In Bergmans Film spielt sich vor diesem Hintergrund ein albtraumhaftes Drama ab: ein Mann erschlägt wie im Wahn einen Jungen, lässt den leblosen Körper dann ins Wasser gleiten. Ohne die handelnden Personen wird der Raum bei Tiller selbst zum Akteur. Die Kamera untersucht den Ausschnitt der Küste aus immer neuen Blickwinkeln, nimmt den Horizont malerisch ins Bild, dann ragen die Felsen wieder bedrohlich in den Himmel. Durch die Musik bekommen die Aufnahmen der menschenleeren Natur einen dramaturgischen Bogen, das Unglück der ursprünglichen Geschichte lässt sich erahnen. Zugleich tritt die filmische Abbildung der Landschaft selbst in den Vordergrund, wie eine leere Bühne, die zur Projektionsfläche wird.
Tiller entwirft eine Studie, die in ihrer konzeptuellen Strenge ein weites Feld an Assoziationen über Wahrnehmung, Darstellungsformen und über die Konstruktion filmischer Räume öffnet."
(Andrea Pollach / sixpackfilm.de)
DATA FRAGMENTS FROM A RAPID DECLINE
BRD 2007
Regie: Tim Blu
Farbe
ohne Dialog
Laufzeit: 17 min
DATA FRAGMENTS FROM A RAPID DECLINE ist die Repräsentation einer Repräsentation: naturkundliche Dioramen einer Umwelt, die es so nicht mehr gibt, die selbst gleichfalls nicht mehr existieren und in ihrem „Wiederaufleben" als filmischer Blick dennoch alles „wie echt" abbilden. Diese Aufzeichnungen einer gefrorenen Zeit haben in ihrem Innehalten etwas bedrohlich Existentielles.
BÄRBEL ERZÄHLT EINEN FILM
BRD 2005
Regie: Karl Heil
Darsteller: Bärbel Freund
Farbe
Sprache: Deutsch
Laufzeit: 2 min
BÄRBEL ERZÄHLT EINEN FILM ist eine kleine Versuchsanordnung: Wir erfahren alles über eine Geschichte (genauer einige zentrale Szenen aus Abbas Kiarostamis "Der Geschmack der Kirsche"), die Erzählung ist im Prinzip vollständig, nur die Bilder scheinen keine solchen zu sein.
URSZENE
BRD 1981
Regie: Christine Noll-Brinkmann
Farbe
ohne Dialog
Laufzeit: 6 min
URSZENE konfrontiert den freudschen Blick durchs Schlüsselloch mit seiner filmischen Verlängerung. Aus unserer jeweiligen Art die Bilder zu sehen, entstehen unverhoffte intime Details und wir ertappen uns zunehmend öfter bei der Verlagerung unserer Gedanken aus dem Film in den Alltag.
(1) Falkenberg, Paul: Sound Montage: A Propos de Ruttmann. In: Film Culture Nr. 22/23, New York, 1961
(2) Dieter Daniels im Medienkunstnetz online (abgerufen am 9.3.2011)